16. Dezember 2020
Radio Free Asia, www.rfa.org

China hat inmitten totaler Kontrolle der Medien mehr als 100 Journalisten hinter Gittern

China gehörte im Jahr 2020 weltweit zu den Nationen, die die größte Zahl von Journalisten inhaftiert haben, und setzte damit die Politik der totalen staatlichen Kontrolle der Medien fort, die unter dem regierenden zentralen Führer der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), Xi Jinping, begonnen wurde.

„China, das mehrere Journalisten wegen ihrer Berichterstattung über die Pandemie verhaftete, war das zweite Jahr in Folge der schlimmste Inhaftierer der Welt“, erklärte das in New York ansässige Committee to Protect Journalists (CPJ) in seinem Jahresbericht, der feststellte, daß autoritäre Regierungen die Verhaftungen von Journalisten wegen der Berichterstattung über die COVID-19-Pandemie verstärkt hätten.

„Inmitten der Pandemie verzögerten die Regierungen Prozesse, schränkten Besucher ein und mißachteten das erhöhte Gesundheitsrisiko im Gefängnis; mindestens zwei Journalisten starben, nachdem sie sich in der Haft mit der Krankheit angesteckt hatten“, so die Gruppe in einem am 15. Dezember veröffentlichten Bericht.

Und in Paris sagte Reporter ohne Grenzen (RSF), Peking habe „es versäumt, aus dem Coronavirus zu lernen und habe statt dessen die Zensur im Jahr 2020 weiter verschärft“.
„China bewegt sich am unteren Ende des Global Press Freedom Index und scheint nicht gewillt, die Lehren aus der Coronavirus-Pandemie zu ziehen, deren Ausbreitung durch Zensur und Druck auf Whistleblowers begünstigt wurde“, erklärte die Gruppe.

„Schlimmer noch, Peking hat die Krise genutzt, um seine Kontrolle über die Medien weiter zu verschärfen und die Veröffentlichung von Berichten zu verbieten, die die Art und Weise ihrer Handhabung in Frage stellen“, so RSF.

RSF fügte hinzu, daß die totale Kontrolle über die Medien durch die Kontrolle der KPCh über die Medienorganisationen begünstigt wurde, unabhängig davon, ob sie sich in Privatbesitz befinden oder vom Staat betrieben werden.

„Präsident Xi Jinping hat es geschafft, ein Gesellschaftsmodell durchzusetzen, das auf der Kontrolle von Nachrichten und Informationen und der Überwachung der Bürger basiert“, sagte RSF. Mehr als 100 Journalisten und Blogger seien derzeit in China hinter Gittern.

„Einige werden unter lebensbedrohlichen Bedingungen festgehalten“, sagte RSF und fügte hinzu, daß mindestens drei Journalisten und drei politische Kommentatoren im Zusammenhang mit der Pandemie verhaftet worden seien.

„Auch das harte Vorgehen gegen ausländische Korrespondenten wurde verschärft, sechszehn wurden seit Anfang des Jahres ausgewiesen“, hieß es.

Die freiberufliche Videojournalistin Zhang Zhan, die, nachdem sie über die Coronavirus-Pandemie aus der zentralen Stadt Wuhan berichtet hatte, im Shanghaier Stadtteil Pudong festgehalten wird, war unter denjenigen, die in der Datenbank der drangsalierten Journalisten aufgeführt sind.

Zhangs Verteidiger wurde am Mittwoch darüber informiert, daß ihr Prozeß wegen „Anzettelung von Streitigkeiten und Unruhestiftung“ - ein Vorwurf, der von der KPCh häufig verwendet wird, um friedliche Kritiker der Regierung ins Visier zu nehmen - am 28. Dezember stattfinden würde, wie aus einer Kopie des Benachrichtigungsschreibens hervorgeht, das auf Twitter veröffentlicht wurde.

Ebenfalls auf der Liste stehen Cai Wei, Chen Mei und Tang Hongbo, die mit der gleichen Anklage inhaftiert wurden, nachdem sie eine Online-Datenbank mit Informationen über die Pandemie namens Terminus 2049 aufgebaut hatten.

Terminus 2049 habe Nachrichten gesammelt und archiviert, die von den chinesischen Behörden auf Social-Media-Plattformen und in den Mainstream-Medien zensiert wurden, wie Terminus 2049 Watch informierte, eine Website, die von Chens Bruder Chen Kun betrieben wird, so das CPJ.

Die Seite habe zensierte Artikel über angebliche sexuelle Belästigung an chinesischen Universitäten, den Selbstmord eines Studenten, der von seinem Professor gemobbt wurde, und die Kampagne der chinesischen Behörden zur Vertreibung von Wanderarbeitern aus Peking veröffentlicht, hieß es.

Der Vorsitzende der Hongkonger Journalistenvereinigung (HKJA), Chris Yeung, sagte, die Pandemie sei in Wirklichkeit ein Vorwand für die immer weiter gehende Kontrolle der KPCh über alle Formen der öffentlichen Rede und Information.

„Oberflächlich betrachtet scheint die Kontrolle mit der Pandemie zusammenzuhängen, denn die Behörden sind diesbezüglich besonders nervös“, sagte Yeung.

Doch er fügte hinzu, daß Pekings Strategie der „umfassenden Informationskontrolle“ bereits etabliert war, bevor die ersten COVID-19-Fälle Ende 2019 in Wuhan auftauchten.

Er sagte, daß inmitten des „Minenfeldes“ von Informationskontrollen, die eingeführt wurden, um soziale Unruhen oder Chaos während der stadtweiten Abriegelungen und Einschränkungen, die die Pandemie mit sich brachte, zu verhindern, 2020 mehr Journalisten ins Visier genommen worden sein könnten.

Yeung sagte, er erwarte auch ein hartes Durchgreifen gegen den Journalismus in Hongkong, das sich einst einer freien und lebendigen Nachrichtenmedien- und Verlagsindustrie rühmte, inmitten eines harten Vorgehens gegen Andersdenkende unter einem nationalen Sicherheitsgesetz, das der Stadt von Peking auferlegt wurde.

„Es gibt jetzt ein weitaus größeres Risiko, seit das nationale Sicherheitsgesetz in Kraft getreten ist, weil die Bestimmungen weit gefaßt und vage formuliert sind“, äußerte Yeung gegenüber RFA und zitierte die jüngsten Anklagen gegen den pro-demokratischen Medienmogul Jimmy Lai wegen „Kollaboration mit ausländischen Mächten“, die auf Posts in den sozialen Medien und Treffen mit ausländischen Beamten beruhen.

Yeung sagte, daß die kürzliche Verhaftung des Bloomberg-Journalisten Haze Fan in Peking wegen des Verdachts der „Gefährdung der Staatssicherheit“ ebenfalls Anlaß zur Sorge gäbe und möglicherweise weitere Verhaftungen von Journalisten ankündigen könnte. Das CPJ forderte die sofortige Freilassung von Fan.

„Die Behauptungen der chinesischen Behörden, daß Haze Fan in kriminelle Aktivitäten verwickelt sei, die Chinas nationale Sicherheit gefährden, sind nicht glaubwürdig“, sagte der Koordinator des Asienprogramms der Gruppe, Steven Butler, in einer Erklärung am 11. Dezember.

„Fan sollte sofort freigelassen werden und China sollte aufhören, ausländische Nachrichtenbüros, die im Land tätig sind, zu schikanieren“, meinte Butler.